Herbst
13.10.2024
Dieser Beitrag ist Teil 1 von 3 der Artikel-Serie "Gedanken"
Der Morgen begrüßt mich trübe. Nebel klebt zwischen den Häusern und dämpft die Geräusche. Die Bäume vor meinem Fenster tragen ihr Herbstkleid und leuchten gelb und orange im milchigen Grau. Bilder vom Herbst am Meer schieben sich vor mein geistiges Auge und ich erfreue mich an den Farben und friedlichen Gefühlen, die diese auslösen.
Im Wald riecht es, zu der Farbenpracht des Herbstes, nach Erde und wenn es geregnet hat, nach frischem modrigem Laub und manchmal nach Pilzen. Wenn es die Sonne schafft, den Nebel aufzulösen leuchten die Farben noch intensiver. Das Moos auf abgestorbenen Baumstümpfen strahlt in einem herrlich saftigen Grün, ist umringt von abgestorbenen Blättern, die in ihrer Vergänglichkeit einen wunderschönen Kontrast zur Lebendigkeit bieten.
Ich liebe den Herbst – im Grunde liebe ich alle Jahreszeiten. Den ewigen Rhythmus von Frühling, Sommer, Herbst und Winter, von Geburt, Leben, Vergänglichkeit und zur Ruhe kommen, bevor alles von Neuem beginnt.
Viele Menschen in meinem Umfeld trauern gerade im Herbst dem Sommer nach. Im Sommer ist es hell und die Tage sind lang, eine Zeit der Aktivität. Jetzt werden die Tage kürze, es regnet viel, es ist grau und kalt, bald kommt der Winter mit seiner Dunkelheit. Es fühlt sich für mich so an, als steckt die Angst vor der Vergänglichkeit hinter diesen Worten und je älter die Menschen sind, desto intensiver spüre ich diese Angst.
In jüngeren Jahren empfand ich das „Gejammer“ lästig. Mittlerweile setze ich mich ab und an selbst mit meiner Vergänglichkeit auseinander. Es scheint eine Frage des Alters zu sein und doch schenkt mir das Wissen um den ewigen Kreislauf Vertrauen und Zuversicht. Nichts geht verloren. Alles hat seine Zeit und in der Natur ist der ewige Kreislauf für mich nach wie vor wahrnehmbar.
Auch wenn die Jahreszeiten sich nicht mehr ganz so abgrenzen lassen, wie das in meiner Kindheit noch spürbar war und der Winter meist schmuddelig und zu warm ist, anstatt dass der Schnee etwas Strahlen in die Nacht bringt, so ist es an mir mit den Jahreszeiten zu leben. Sie gar als Geschenk anzunehmen und damit bewusster wahrzunehmen.
In früheren Zeiten, lebten die Menschen nach dem Rhythmus der Jahreszeiten sowie den Mondphasen. Es gab Rituale, verbunden mit der Aussaat, Ernte, dem Dank, der Einkehr und der Wiedergeburt des Lichts immer in Bezug auf Sonne oder Mond. Die Untergliederung des Jahres und die Feste bzw. Rituale dazu, waren zahlreicher und hatten eine tiefere Bedeutung.
Von klein auf lernte ich Weihnachten, Ostern, später Fasching und viel später Halloween kennen. Begriffe wie Sommeranfang oder Winteranfang hatten keine Bedeutung. Die Feste wurden gefeiert und besonders an Weihnachten standen die Geschenke im Vordergrund. Das Jahr plätscherte vor sich hin.
Weihnachtsdeko und -gebäck stehen immer früher in den Geschäften und kaum ist das vorbei, kommen die Osterhasen. Irgendwann ging mir auf, dass ich innerliche Widerstände gegen diesen oberflächlichen Konsum entwickelte und ich suchte nach neuen Bedeutungen, die ich ausgerechnet im Alten, Vergangenen fand. Vergleichbar mit der Schönheit, die mir beim herbstlich verfärbten und herabgefallen Laub auffällt.
Vielleicht hat sich deshalb meine Sichtweise auf die Jahreszeiten, dem Rhythmus der Natur und meiner eigenen Vergänglichkeit verändert. Und vielleicht empfinde ich deshalb den Herbst und den herannahenden Winter nicht als Bedrohung, sondern als Zeit des Einkuschelns, der Gemütlichkeit zu Hause, des Rückzugs aus der Geschäftigkeit und des zur Ruhe Kommens nach einem geschäftigen Sommer.
Vielleicht ist der bewusste Umgang mit der Natur, von der wir ein Teil waren und sind, der Schlüssel zum friedvollen Annehmen der Jahreszeiten.
Magst du den Herbst? Wie gehst du damit um, dass die Tage kürzer werden?
Schlagworte: Herbst, Inspiration, Jahreszeiten